Gemmen: Schnitzkunst aus Italien
von David Suppes am 02.Mrz 2020
Seit der Antike bezaubern besonders filigran gearbeitete Schmuckstücke, die als Gemmen und Kameen bekannt wurden, Schmuckliebhaber auf der ganzen Welt. Eine Gemme ist ein besonders gearbeiteter Schmuckstein, der kunstfertig geschnitzte Bilder aus Muscheln oder Steinen auf Broschen, Ohrringen, Anhängern oder Ringen zeigt. Das Schmuckmotiv wird vertieft in den Stein geschnitten, diese Technik wird auch als Intaglio bezeichnet. Im Aussehen ähnlich ist ein anderes Schmuckstück, das Kameo oder die Kamee. Hier wird das Motiv als Relief auf dem übrigen Stein angefertigt. Oft wird der Begriff Gemme als Oberbegriff für alle geschnitzten und mit Bildmotiv versehenen Schmucksteine benutzt. Heute erlebt der klassische Schmuck mit den filigranen Miniaturbildern eine wahre Renaissance und erfreut sich einer steigenden Beliebtheit.
Tradition und Blütezeit der Gemmen
Die in Stein und Muschel geschnitzten Schmuckbilder haben eine lange Tradition: Schon seit der Antike begeistern sie ihre Trägerinnen und Träger. Gemmen galten als Zeugnis von sehr hoher Kunstfertigkeit und so verwundert es auch nicht, dass sogar Kaiser Gemmenschmuck trugen. Auch die Herrscher des Mittelalters und der Renaissance hielten an der Tradition fest. Man kann heute sagen, dass jede Epoche ihre eigenen Gemmen hervorbrachte. Italienreisende aus dem 18. Jahrhundert fanden im Gemmenschmuck attraktive klassische Italien-Souvenirs.
Gemmen werden oft zur Dekoration in Ringen verarbeitet, hier mit antikem Motiv (Foto: privat)
Italien hat in der Geschichte der Gemmen sowieso eine sehr zentrale Stellung. In der Region um Neapel erlebte die Tradition der Gemmenschnitzerei im 18. Jahrhundert eine wahre Blütezeit. Parallel dazu entwickelte sich die Grand Tour, ein Reiseweg, auf dem vor allem Adlige aus ganz Europa Bildungsreisen in das ferne Italien unternahmen. Die Kameen und Gemmen wurden zu einem frühen Souvenir, das an die monatelangen Reisen durch Italien erinnerte. Die Kameen aus dem 18. und 19. Jahrhundert waren oft auch mit mythologischen und antiken Themen gestaltet worden und sie bildeten auf den zarten Reliefs den Zeitgeist des Spätbarocks und des Rokokos sozusagen en miniature wieder ab.
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In der Antike erfreute sich die Gemmenkunst bei den Ägyptern, im persischen Reich, bei den Griechen und bei den Assyrern einer großen Beliebtheit. Oft wurden Gemmen auf Ringe geprägt und fungierten dann auch als Siegelring. Gewandbroschen, Anhänger und Ohrschmuck mit Gemmenmotiven waren ebenso beliebt. Interessant ist auch die Verwendung der ungefassten Rohfassung von Gemmen, diese wurden oft als Talismane und als Glücksbringer getragen.
Die Gemmen-Schnitzkunst entwickelte sich über die Jahrhunderte und es bildeten sich immer komplexere und filigranere Bildmotive. Aus zunächst recht schlichten Motiven, die in der Regel ein menschliches Profil darstellten, entwickelten sich zunehmend ganze Szenerien, die auf kleinstem Platz auf dem Schmuckstück angefertigt wurden. Darstellungen aus der griechischen und römischen Götterwelt erfreuten sich großer Beliebtheit, vor allem im 19. Jahrhundert. Die weißen Bildmotive wurden in dieser Zeit häufig auf malvenfarbene Lagensteine aufgebracht.
Welche Arten von Gemmen gibt es?
Unter Gemme wird grob vereinfacht jeder geschnitzte Schmuckstein verstanden. Hauptsächlich zwei verschiedene Arten der Schnitzkunst sind bekannt: Die klassische Gemme, die auch als Intaglio bezeichnet wird und die Kamee. Gemmen werden vertieft in den Stein eingebracht. Siegelringe sind eine bekannte Art der Intaglio-Arbeiten, bei denen das Schmuckmotiv in den Stein eingearbeitet wurde. Die Kamee ist eine andere Gemmenart. Bei ihr wird der Hintergrund des Schmuckbildes weggemeißelt und geschnitzt, so dass das Bild erhaben wirkt. Die Kamee ist sehr aufwendig herzustellen und erfordert ein Höchstmaß an Präzision und Können von den Spezialisten, die sie anfertigen.
Intaglios, also innenliegende Gemmen werden aus Edelsteinen und Halbedelsteinen gefertigt, Kameen werden oft aus Muscheln, Lavasteinen oder Moluskenschalen hergestellt. Die Fassung besteht sehr oft aus Gold.
Gemmen werden auch Intaglio genannt, ihre Motive werden fein in das Ausgangsmaterial geritzt (Foto: privat)
Gemmen aus Jaspis oder Achat sind beeindruckende Beispiele für die hohe Kunst der Gemmenanfertigung. Da die Steine mehrfarbig sind, können sie für besondere Motive genutzt werden. Eine Gemme ist immer ein Unikat, der Graveur sucht den Stein oft nach dem gewählten Motiv aus. Jede Gemme wird so zu einem unverwechselbaren Eyecatcher. Auch das Zusammenspiel von polierten und matten Flächen auf Steinen wird zur Akzentuierung der Steinkunstwerke eingesetzt.
Intaglios zeigen oft Wappen oder Portraits, Personenabbilder oder ganze Szenen, die spiegelbildlich in den Stein hineingraviert wurden. So können sie als Siegel zum Verschluss von Briefen oder Sendungen genutzt werden.
Die Kamee und der Unterschied zur Gemme
Die Kamee ist immer seitenrichtig angefertigt und erhebt sich von dem tieferliegenden Untergrundstein. Als Untergrundsteine, auf die die Kameen aufgebracht wurden, fungierten oft Achat, Carneol oder Onyx. Diese Steine weisen alle einen kräftigen, dunklen Farbton auf, auf dem die Kamee weiß leuchtet. Auch Kameen werden, genau wie die Gemmen, als Broschen, Anhänger oder als Ohrringe getragen und sie zeigten auch häufig das Abbild von Herrschern oder antiken Gottheiten. Auch ganze Szenerien aus der Mythologie finden in Kameen ihre zeitlose Verewigung.
Beliebte Motive und Macharten von Gemmen
Gemmen bilden immer die vorherrschenden Trends ab. So wurden zum Beispiel im ausgehenden 2. Jahrhundert nach Christi Geburt der Einfluss des Orients und seiner Religionen auf Bildinhalten der Gemmen dargestellt. Es gab in dieser Zeit Darstellungen von ägyptischen Gottheiten wie Anubis und Isis oder von anderen ägyptischen Gottheiten.
Der Einfluss vom Zeitgeist auf die Motive blieb auch in den folgenden Jahrhunderten bestehen. Die Motive aus früheren Zeiten, die auf die Schmucksteine eingraviert wurden, sind immer von den jeweiligen Begleitfaktoren abhängig gewesen. So forderten europäische Adlige oft eine Portraitarbeit, es wurden aber auch im Hinblick auf die Religion, zum Beispiel Schutzheilige oder Talismane, oder auf das Alltagsleben hin Motive, wie spezielle Glücksbringer, ausgewählt. In Ägypten galt der Skarabäus als Sinnbild des Sonnengottes und so findet man häufig die Abbildung eines Skarabäus auf antiken Gemmen. Im Europa der späteren Jahrhunderte waren Gemmen mit Schutzheiligen beliebt, die den Träger oder die Trägerin vor Unheil schützen sollten.
Die Herstellung einer Gemme erfordert höchste Konzentration und eine Menge Erfahrung (Foto: © Torval Mork – stock.adobe.com)
Die Wahl der Motive auf den Gemmen blieb über Jahrhunderte hinweg bestimmt von den wechselnden Vorgaben, die vor allem durch religiöse oder alltägliche Trends ausgelöst wurden. Man kann daher sagen, dass die Darstellungen von Glaubensrichtungen, aber auch von Aberglauben, und der Hoffnung auf Glück und Erfolg, bestimmt wurden und sogar von der Furcht vor drohendem Unglück, vor Elend, Krankheit und Tod. Die Gemmen sollten mit ihren Motiven einen Schutz für die Träger darstellen. Das ist der Grund, warum auch in den späteren Jahrhunderten viele Gemmenmotive sich mit Göttern und Schutzheiligen beschäftigen. Auch Abbildungen aus der griechischen und römischen Sagenwelt fanden Anwendung in der Gemmenschnitzerei.
Sakrale Themen, also religiöse Themen hatten aber eine sehr dominierende Rolle unter den Gemmenschmucksteinen. Man geht davon aus, dass es Motivvorlagen gab, nach der sich die Auftraggeber ihre Motive aussuchen konnten.
Gemmen heute – kommen Gemmen wieder in Mode?
Die Herstellung von Gemmen dauerte früher gut vier bis fünf Wochen. Die einzelnen Arbeitsschritte müssen mit Präzision und viel Expertise ausgeführt werden. An der grundlegenden Technik hat sich nicht viel geändert bis heute, nur geht durch vereinfachte und automatisierte Schritte heute die Anfertigung einer Gemme oder Kamee viel schneller. Heute dauert es durchschnittlich 3 bis 4 Tage, eine neue Gemme anzufertigen.
Obwohl die Gemmen für eine Weile etwas in Vergangenheit gerieten was den modischen Geschmack anging, sind sie heute wieder sehr im Kommen. Gemmen und Kameen werden wiederentdeckt, und das in allen Preissparten. Von dem billig gefertigten Modeschmuck bis hin zum Sammlerobjekt erfreuen sich die kostbaren kleinen Raritäten wieder einer erhöhten Aufmerksamkeit. Und das zu Recht, denn die kostbaren Accessoires sind alles andere als langweilig oder altbacken. Die zarten, an Scherenschnitte erinnernden Miniaturbilder werden bewusst wieder getragen und setzen ein Statement. Heute sind es vor allem zarte Blütenmotive, die zum Einsatz kommen, auf Broschen oder Anhängern können komplexere Motive dargestellt werden.
Gemmen sind zeitlos schöne und elegante Schmuckstücke, die die Einzigartigkeit ihres Trägers oder ihrer Trägerin unterstreichen. Sie schlagen eine zarte Brücke in vergangene Zeiten und sie lassen auf elegante Weise die Aura von Nostalgie und Romantik wiederaufleben. Auf jeden Fall sind Gemmen und Kameen eine zeitlos elegante Art, die eigene Individualität zu unterstreichen.
Titelfoto: (© Victor Moussa – stock.adobe.com)