Netsuke – Meisterwerke Japanischer Schnitzkunst
von David Suppes am 18.Dez 2019
Netsuke sind kleine japanische Schnitzfiguren, die in der Zeitspanne vom 17. bis zum 19. Jahrhundert eine bedeutende Funktion in Bezug auf die japanische Kleidung eingenommen haben. Da Kimonos keine Taschen hatten, dienten Netsuke als Art Knebel, damit die am Gürtel befestigte Tasche nicht herunterrutschen konnte.
Obwohl sie mit der Zeit ihren Nutzen verloren haben, sind Netsuke auch heute noch, durch den künstlerischen Aspekt, als Sammelobjekte heiß begehrt und erzielen auf Asia-Auktionen Höchstpreise.
Geschichte der Netsuke
Die Anfänge der Netsuke gehen in das 17. Jahrhundert zurück. Dabei hatten diese kleinen japanischen Figuren eine ziemlich praktische Funktion: In der damaligen Zeit wurden hauptsächlich Kimonos getragen, die allerdings nicht mit Taschen ausgestattet waren. Daher musste alles, was normalerweise in eine Tasche gehörte – darunter beispielsweise Siegel, Stempelfarbe, Medikamente und der Geldbeutel – in einem kleinen Sack oder einer kleinen Schachtel verstaut werden. Diese Behältnisse, auch Sagemono („Hängesachen“) oder Inrō genannt, wurden dann mithilfe von Schnüren an dem Obi, das Gürteltuch, welches den Kimono zusammengehalten hat, befestigt. Der Netsuke kam genau an dieser Stelle zum Einsatz, indem eine Schnur durch die zwei vorhandenen Öffnungen (auf Japanisch himotoshi genannt) gefädelt und somit an dem Behältnis befestigt wurde. Dadurch wurde verhindert, dass die Sagemono von der Schärpe beziehungsweise dem Gürteltuch herunterrutschen konnten.
Netsuke zur Befestigung einer Tasche am Kimono
Oftmals war zwischen dem Netsuke und dem Behältnis außerdem eine dekorative Perle, welche auch als Ojimee bezeichnet wurde, die das Öffnen und Schließen der Schachtel erleichterte.
Neben dem funktionalen Nutzen der Netsuke dienten diese Anhänger gleichzeitig auch als Statussymbol für die wohlhabenden Bürger. Da die Netsuke teilweise aus teuren, seltenen Materialien gemacht waren, konnten diese oftmals nur von den Männern der Oberschicht und nicht von Kaufleuten und Handwerkern, den sogenannten Stadtmenschen (Chinin), erworben werden.
Herstellung, Material und Motive der Netsuke
Die Netsuke wurden anfänglich hauptsächlich aus Wurzelholz hergestellt. Mit der Zeit kamen jedoch immer mehr Materialien für die Herstellung infrage. Die Vielfalt reicht von Pflanzen wie Buchsbaum, Horn und Bambus bis hin zu Werkstoffen wie Knochen, Elfenbein, Muscheln, Bernstein, Speckstein und Keramik.
Meistens waren die Netsuke daher massiv aufgebaut und die filigranen Details wurden, um diese Robustheit nicht zu verändern, nicht geschnitzt, sondern nur geritzt und eingefärbt.
Die Löcher im Netsuke (hier aus Elfenbein) dienten zum Befestigen einer Tasche am Kimono
Eine Ausnahme stellen die Netsuke aus Elfenbein dar, die jedoch eher im 19. und 20. Jahrhundert zu finden waren und anstatt dem eigentlichen Gebrauchsgegenstand vielmehr als Sammlerobjekte gesehen wurden.
Hergestellt wurden sie von Personen unterschiedlichster Gruppen – von Malern und Bildhauern, bis hin zu Masken- und Puppenmachern. Es war hierbei eher eine Seltenheit, dass diese Schnitzer, die als Netsukeshi bezeichnet wurden, ihre Werke signierten. Erst mit der weiteren Entwicklung der Netsuke ritzten einige Personen ihre Initialen ein, was jedoch nicht zu einem erwähnenswerten Preisanstieg geführt hat.
So wie es ein unzähliges Spektrum an verwendeten Materialien gab, schien die Vielfalt der Motive ebenfalls unerschöpflich zu sein. Vor allem in der Jahresspanne von 1800 bis 1870, der Hochblüte dieser Kunst, kam immer mehr Variation in der Auswahl der Themen. Gern gesehen waren die Motive der Tierkreiszeichen, demnach beispielsweise Tiger, Kühe, Drachen, Schlangen, und Pferde. Neben diesen Symbolbildern waren auch andere Tierdarstellungen wie Schildkröten, Pinguine und Löwen auf den Netsuke zu finden. Weiterhin wurden oftmals Götter dargestellt, die dem Träger unter anderem Gesundheit, Glück oder Reichtum bringen sollten. Auch Darstellungen von Dämonen, dem Teufel, Kobolden und anderen Fabelwesen begegnete man häufig. In den meisten Fällen erzählten die Abbildungen eine Art Geschichte, inspiriert von Mythen, Sagen und Märchen. Obwohl diese Symbole beliebt waren, gab es gleichermaßen eine Vielzahl an realitätsbezogenen Motiven aus dem Alltag: unter anderem Naturdarstellungen, Bettler, Tänzer, Heilige, Mönche, Bauern und die verschiedensten Berufsdarstellungen.
Arten von Netsuke
Beim Katabori-Netsuke handelt es sich um die bekannteste Art von Netsuke, den vollrund-plastischen Exemplaren, die in etwa eine Größe von zwei bis acht Zentimetern aufweisen.
Ein weiterer Typ ist der Manju-Netsuke; sie ähneln, hinsichtlich der Form, der japanischen Süßigkeit Manju, da sie dick und rund, aber abgeflacht sind. Die dabei dargestellten Schnitzereien heben sich plastisch stark vom Hintergrund ab.
Manju-Netsuke mit Darstellung eines Hundes
Starke Ähnlichkeit zu dem Manjunetsuke findet man bei dem Ryusa-Netsuke, der sich nur darin unterscheidet, dass er wie Spitze geschnitzt ist und somit Licht durch das Netsuke gelangen kann.
Auch der Kagamibuta-Netsuke weist eine ähnliche Form auf, hebt sich aber von den anderen Arten durch einen aus Metall bestehenden Deckel, der für eine flache Schüssel genutzt wird, ab. Dieser Deckel ist meist durch viele verschiedene metallurgische Methoden gestaltet worden.
Eine Art, die sich von den vorher genannten stark unterscheidet, sind die Sahinetsuke – eine Unterart der Katabori. Sie kennzeichnen sich durch eine längliche Form und sind circa 15 Zentimeter groß.
Auch die Anabori-Netsuke, die ein ausgehöhltes Zentrum besitzen, sind eine Untergruppe der Katabori-Netsuke.
Am meisten heben sich jedoch die Karakurinetsuke von allen anderen Arten ab, da sie aus beweglichen Teilen bestehen und sich in ihnen oftmals Gegenstände verstecken lassen.
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Abgrenzung von Netsuke zu Okimono
Okimono, was wörtlich „Hinstellding“ bedeutet, sind japanische Ziergegenstände. Sie wurden vor allem in sogenannten tokonoma, eine Art Nische, aufgestellt.
Beliebt wurden diese japanischen Kunstschnitzarbeiten im 19. Jahrhundert, als in Japan das Tragen des Kimonos immer mehr durch die europäische Kleidung ersetzt wurde. Die Netsuke waren damit nicht mehr notwendig und wurden durch die Okimono, die keine Öffnungen besitzen, ersetzt. Anders als die Netsuke, sind die Okimono damit nur noch dekorative Gegenstände gewesen. Daher waren sie mit einer Größe von zehn bis vierzig Zentimetern meist etwas größer als die Netsuke.
Okimonos besitzen keine Löcher, da sie anders als Netsuke nicht zum hängen gedacht waren
Von den Themen her ähnelten die Schnitzereien denen der Netsuke: Mythologische Figuren, Helden, Heilige und Szenen aus dem Alltag sind nur wenige Beispiele der Motivvielfalt. Im Unterschied zum Netsuke mussten Okimono nicht derart massiv sein, weil sie keinen praktischen Zweck erfüllen mussten. Daher wurde überwiegend – neben Metall, Keramik und Holz – Elfenbein als bevorzugtes Material verwendet und es sind oftmals filigrane Muster zu erkennen. Häufig signierten, anders als bei den Netsuke, die Künstler ihre Stücke auf der Standbasis.
Die Entwicklung vom Gebrauchsgegenstand zum Sammlerobjekt
In der Meiji-Ära geriet die Verwendung der Netsuke immer mehr in Vergessenheit, da die Kimonos durch den westlichen Kleidungsstil ersetzt wurden.
Obwohl die Netsuke damit keinen Nutzen mehr hatten, wurde sie weiterhin für den Export in den Westen, wo japanischen Gegenstände am Ende des 19. Jahrhunderts beliebt waren, hergestellt. Noch heute fertigen weltweit etwa 50 bis 100 Künstler Netsuke an.
Katabori-Netsuke mit Schildkröte
Sie haben zwar heute nicht mehr den Stellenwert, den sie damals hatten, sind aber als Sammelobjekte noch immer begehrt. Netsuke-Sammler sind dabei vor allem an den dekorativen, filigran verarbeiteten Werken des 19. Jahrhunderts interessiert. Für die Stücke aus dem 18. Jahrhundert, die eher archaisch angehaucht sind, interessieren sich vorwiegend Personen aus Europa und Amerika.
Während der Preis der Netsuke bereits damals relativ hoch war, liegen die Kaufpreise heutzutage zwischen 100 und 100.000 US-Dollar. Der exakte Preis ist dabei unter anderem von der Qualität des Schnitzens, dem Motiv und der Einzigartigkeit abhängig.